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Diversity-Infothek

 

Gertraude Krell

Gertraude Krell war bis 2007 Professorin für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Personalpolitik am Institut für Management, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, Freie Universität Berlin.

Ihre Arbeitschwerpunkte sind auch nach der Pensionierung: Chancengleichheit von Frauen und Männern, insbesondere hinsichtlich Entgelt und Führungspositionen; Gender & Diversity; Emotionen in Organisationen; Diskurs und Ökonomie.

idm-Mitglied seit 2007

Diversity Management: Chancengleichheit für alle und auch als Wettbewerbsfaktor

von Gertraude Krell

 

1. "Was?": Verständnisgrundlagen

Diversity Management (DiM) stammt aus den USA und hält auch im deutschsprachigen Raum zunehmend Einzug in Wissenschaft und Praxis. Gegenstand dieses Beitrags sind Grundlagen und Grundfragen des DiM. Hier geht es zunächst um das "Was", d.h., um begriffliche und konzeptionelle Fragen, in den folgenden Abschnitten dann um das "Warum" und das "Wie".

 

1.1 Diversity bzw. Vielfalt

Diversity heißt Vielfalt. In Zusammenhang mit DiM geht es um die Vielfalt der Mitglieder oder Bezugsgruppen einer Organisation. Im Kontext der Personalpolitik, die Gegenstand dieses Sammelbandes ist, steht die Vielfalt auf dem Arbeitsmarkt bzw. der in einer Organisation Beschäftigten im Mittelpunkt (für einen aktuellen Überblick zu "Workplace Diversity" vgl. z.B. Konrad/Pushkala/Pringle 2006). Bei Organisationen wie Universitäten fokussiert DiM darüber hinaus auf die Vielfalt der StudentInnen als Organisationsmitglieder (vgl. z.B. Vedder 2007). Damit ist bereits die Schnittstelle zum Diversity Marketing angesprochen, bei dem es um die Vielfalt der KundInnen geht. Und schließlich spielt für DiM auch die Vielfalt anderer Bezugsgruppen, wie z.B. GeldgeberInnen, eine Rolle. Wie noch zu zeigen sein wird, sind diese Facetten von Vielfalt und von deren Management eng miteinander verwoben.

Vielfalt als Konstrukt wird bezogen auf Geschlecht, Alter, Nationalität, Ethnizität, Religion, Behinderung, sexuelle Identität und Orientierung, familiäre bzw. Lebenssituation, Klasse, Ausbildung, Werte, Verhaltensmuster usw. Konzeptionell betrachtet ist die Liste möglicher Diversity-Dimensionen unendlich lang. Davon zeugt bereits das fast obligatorische "usw." am Ende jeder Aufzählung. Sowohl in der Forschung als auch in der Praxis wird die damit verbundene Komplexität allerdings erheblich reduziert:

Bedingt durch das Thema dieses Sammelbandes wird hier der Schwerpunkt auf Geschlecht gesetzt. Dazu ist zweierlei anzumerken: Erstens wird das Verhältnis von Gender und Diversity derzeit heftig und kontrovers diskutiert (vgl. z.B. Andresen/Koreuber/ Lüdke 2007 sowie einige Beiträge in Koall/Bruchhagen/Höher 2007). Zweitens können in Zusammenhang mit Geschlecht als Diversity-Dimension die Gender Studies fruchtbar gemacht werden. Forschungsrichtungen wie z.B. Cultural Studies, Postcolonial Studies oder die Queer Theory haben weitere Diversity-Dimensionen zum Gegenstand. "Diversity Studies" als umfassende bzw. integrierte Forschungsrichtung stecken hingegen noch "in den Kinderschuhen" (für einen einführenden Überblick vgl. Krell u.a. 2007).

Mit Blick auf Vielfalt und deren Dimensionen ist schließlich relevant, dass es in der DiM-Literatur kein einheitliches (Begriffs-)Verständnis gibt, sondern zwei Varianten: "Vielfalt als Unterschiede" (vgl. z.B. Loden/Rosener 1991, S. 18) und "Vielfalt als Unterschiede und Gemeinsamkeiten" (vgl. z.B. Thomas 1996, S. 5). Die Entscheidung für eine dieser beiden Varianten ist weichenstellend und folgenreich (ausführlicher dazu: Krell 2003b, S. 220ff).

Die Variante "Vielfalt als Unterschiede" lenkt zunächst den Blick darauf, dass alle Individuen unterschiedlich sind. Problematisch wird es, wenn es um Gruppen geht, deren Mitgliedern verallgemeinernd Identitäten, Interessen, Eigenschaften, Verhaltensweisen usw. zugeschrieben werden. Damit wird ausgeblendet, dass es auch innerhalb der Gruppen Unterschiede gibt (und zwischen ihnen Gemeinsamkeiten). Aufgrund ihrer Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe werden Individuen in ein "Gehäuse der Zugehörigkeit" (Bienfait 2006) gepresst oder auch (ein)gesperrt (dazu mehr unter 2.3).

Weniger anfällig für solche Fest-Schreibungen ist die Variante "Vielfalt als Unterschiede und Gemeinsamkeiten". Sie berücksichtigt zunächst einmal, dass alle Individuen nicht nur einer der genannten Gruppen angehören, sondern immer zugleich mehreren: Personen können sich z.B. hinsichtlich des Geschlechts unterscheiden, aber der gleichen Berufs- oder Altersgruppe angehören - oder umgekehrt. Und Personen mit gleichen Gruppenmerkmalen (z.B. junge deutsch-türkische Akademikerinnen) können durchaus unterschiedliche Werte haben oder Personen unterschiedlicher Gruppenzugehörigkeiten die gleichen. Hinsichtlich von Werten, Einstellungen und Verhaltensweisen gibt es also einerseits Unterschiede innerhalb der Gruppen und andererseits Gemeinsamkeiten zwischen diesen (vgl. auch Thomas 2001, S. 40).

In die gleiche Richtung weist das Konzept der Identitätsstruktur, demzufolge Teilidentitäten, die aufgrund bestimmter Gruppenzugehörigkeiten entwickelt werden, bei verschiedenen Individuen in unterschiedlichem Maße ausgeprägt sein können (vgl. Cox 1993, S. 43ff). Cox illustriert dies am Beispiel einer Studie, der zufolge für nicht-weiße Frauen die Geschlechtszugehörigkeit und die rassisch-ethnische Zugehörigkeit gleichermaßen relevant sind, während bei weißen Frauen die Geschlechtszugehörigkeit dominiert. Damit ist zugleich darauf verwiesen, dass es nicht "die" Identität als Frau oder Mann gibt, sondern Frauen und Männer vielfältige Identitäten haben (vgl. auch Butler 1991; Connell 2000).

Mehr noch: Den Erkenntnissen der poststrukturalistischen Geschlechterforschung zufolge stehen diese Identitäten nicht ein für alle Mal fest, wie es das Konzept der Identitätsstruktur suggeriert, sondern sie verändern sich situations- bzw. kontextabhängig ("shifting identities") (Butler 1991, S. 29 und S. 36). Und schließlich wird aus dieser Perspektive das duale Geschlechterschema selbst problematisiert (dazu mehr in meinem einleitenden Beitrag und bei Knapp in diesem Band).

Ein Verständnis von Diversity, das nur auf Unterschiede zwischen Frauen und Männern (oder auch anderen Gruppen) fokussiert, wird dieser Komplexität nicht gerecht. Vielmehr besteht die Gefahr der Stereotypisierung bzw. "Schubladisierung". Das gilt nicht nur, wenn Frauen stereotyp als "defizitäre Arbeitskräfte" kategorisiert werden, sondern auch, wenn mit ihren "besonderen weiblichen" Potenzialen oder Perspektiven argumentiert wird (dazu ausführlicher: Krell 2003a und mein Beitrag zum "weiblichen Führungsstil" in diesem Band). Und das gilt ebenfalls, wenn versucht wird, personalpolitische Maßnahmen speziell für Frauen als Zielgruppe "maßzuschneidern" (vgl. z.B. Blaufus/Ortlieb in diesem Band).

Und schließlich sind Gruppenzugehörigkeiten nicht nur mit geschätzten oder stigmatisierten Identitäten, Qualifikationen, Verhaltensweisen o.Ä. verbunden, sondern - und damit zusammenhängend - auch mit strukturellen Bevorzugungen oder Benachteiligungen, was den Zugang zu Ressourcen (wie z.B. Ausbildungs- und Arbeitsplätzen oder Einkommen) betrifft. Auch das ist relevant für DiM - und auch hier sind Gemeinsamkeiten zwischen und Unterschiede innerhalb der (Genus-)Gruppen sowie damit verbundene (Mehrfach-)Diskriminierungen zu berücksichtigen (dazu ausführlicher: Krell 2007; speziell zur Intersektionalität von Race, Class & Gender vgl. Knapp in diesem Band).

 

1.2 Diversity bzw. Diversity Management

"Diversity" steht aber nicht nur für Vielfalt, sondern auch für DiM sowie die damit verbundene und verfolgte Philosophie oder Strategie (vgl. auch Stuber 2004, S. 16). Im deutschen Sprachraum sind in Lehre und Forschung eher die Etiketten "Managing Diversity" (vgl. z.B. Krell 1996; Jung/Schäfer 2003; Wagner/Voigt 2003), "Diversity Management" (vgl. z.B. Belinzki/Hansen/Müller 2003; Becker/Seidel 2006; Krell/ Wächter 2006) oder auch "Diversitätsmanagement" (vgl. z.B. Bendl/Hanappi-Egger/ Hofmann 2006) gebräuchlich. In der Praxis wird dagegen eher das Etikett "Diversity" verwendet, wie auch die Titel der diesem Beitrag folgenden drei Praxisbeispiele dokumentieren. Während also Diversity im Sinne von Vielfalt das Phänomen einer vielfältig zusammengesetzten Belegschaft oder anderer Bezugsgruppen einer Organisation bezeichnet, steht Diversity im Sinne von DiM für eine ganz bestimmte Art und Weise des Umgangs mit dieser Vielfalt.

Der analytische und gestaltungsorientierte Ausgangspunkt von DiM ist, dass in herkömmlichen Organisationen zwar - mehr oder weniger - Vielfalt existiert, aber auch eine sog. "dominante Gruppe" oder ein "homogenes Ideal" (Loden/Rosener 1991, S. 36ff) bzw. mit Blick auf Deutschland "Norm(al)arbeitnehmer": Das sind (in den USA: weiße) heterosexuelle Männer, denen i.d.R. eine Frau Hausarbeit und Kinderbetreuung abnimmt, sodass sie ihrem Arbeitgeber "150-prozentig" zur Verfügung stehen. Diese dominante Gruppe besetzt nicht nur die entscheidenden Positionen, sondern bestimmt auch maßgeblich die Werte, Normen und Regeln, die in der Organisation gelten, d.h., sie prägt die Organisationskultur. Deshalb wird auch von einer "monolithischen" (Cox 1993) oder "monokulturellen" (Krell 1996) Organisation gesprochen. Charakteristisch für eine solche Organisation(skultur) ist u.a., dass aus der Perspektive der dominanten Gruppe Vielfalt eher bedrohlich erscheint, und die übrigen Beschäftigten (wie z.B. Frauen oder Menschen mit Migrationshintergrund) als "anders" oder "besonders" kategorisiert werden, und das heißt häufig zugleich als "defizitär". Damit wird legitimiert, dass ihnen eher Tätigkeiten zugewiesen werden, die auf den unteren Hierarchieebenen angesiedelt und schlechter bezahlt sind und auch wenig Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Zudem wird von den Mitgliedern der dominierten Gruppen erwartet, dass sie sich an die Werte und Verhaltensweisen der dominanten Gruppe anpassen. Konformitätsdruck und Benachteiligungen sind nicht nur aus moralischen oder rechtlichen Gründen problematisch bzw. für die Betroffenen selbst, sondern auch aus ökonomischen Gründen bzw. für die Organisationsleitung, weil die Betroffenen in der Entfaltung ihrer Leistungswilligkeit und -fähigkeit gehemmt werden (dazu mehr unter 2.).

Durch DiM soll dagegen die Kraft bzw. Energie aller Beschäftigten "entfesselt" (so der Untertitel von Thomas 1991) und genutzt werden, und zwar indem Bedingungen geschaffen werden, die für alle passen. Cox (1993, S. 229) spricht hier von einer "multikulturellen Organisation", die folgende Charakteristika aufweist:

  1. eine Kultur, die Vielfalt fördert und wertschätzt,
  2. Pluralismus als Prozess der Akkulturation,
  3. vollständige strukturelle Integration aller MitarbeiterInnen,
  4. vollständige Integration aller MitarbeiterInnen in informelle Netzwerke,
  5. Vorurteils- und diskriminierungsfreie(re) personalpolitische Kriterien, Verfahren und Praktiken,
  6. minimale Intergruppenkonflikte durch ein pro-aktives Diversity Management.

Dieses Leitbild ist nicht unwidersprochen geblieben. Neuberger (2002, S. 793) beispielsweise findet es "idealistisch (und reichlich unpolitisch)". Auch könnte man z.B. darüber diskutieren, ob wirklich alle Beschäftigten in alle informellen Netzwerke integriert sein müssen und wollen oder ob Intergruppen-Konflikte per se vermieden werden müssen oder überhaupt vermeidbar sind. Insofern sollte eine solche Zielbestimmung nicht als Dogma verstanden werden, sondern vielmehr als Orientierungs- und Diskussionsgrundlage zur Realisation von DiM (dazu mehr unter 3.).

 

2. "Warum?": Diversity Management...

Wie auch der Titel dieses Beitrags verdeutlicht, ist das Hauptargument für DiM die Erzielung von Wettbewerbsvorteilen bzw. der sog. Business Case (s.u. 2.1). Aber das ist nicht alles. Die (Entstehungs-)Geschichte des Konzepts in den USA zeigt, dass es seine Wurzeln auch - und ursprünglich - in der Menschen- bzw. Bürgerrechtsbewegung und der von ihr initiierten Anti-Diskriminierungs-Gesetzgebung hat (ausführlicher dazu: Vedder 2006). Mit dieser Wurzel verbunden sind demnach rechtliche Argumente oder Gebote für DiM, die es auch hierzulande gibt (s.u. 2.2). Unter 2.3 geht es schließlich um konfrontative und integrative Positionen: sowohl mit Blick auf die Relevanz der beiden Argumentationsstränge Ökonomie und Recht als auch innerhalb des Rechts- bzw. Gerechtigkeitsdiskurses.
[...]

 

3. "Wie?": Umsetzung in der Praxis

Da DiM auf einen Wandel der Kultur einer Organisation zielt, wende ich mich zunächst der Frage nach dem Management von Organisationskulturen zu. Anschließend gebe ich einen Überblick über Maßnahmen und Schritte zur Umsetzung von DiM.

 

3.1 Grundlegendes zur Veränderung von Organisationskulturen

Die "Entdeckung" des Organisationskulturansatzes in den 1980er Jahren wurde begleitet von heftigen Debatten darüber, ob Organisationskulturen überhaupt geändert werden dürfen und können (ausführlicher dazu: Krell 1991; Schreyögg 1991).

Die Position, man dürfe Organisationskulturen nicht verändern, sondern müsse sie gleichsam wie ein Naturschutzgebiet behandeln, erklärt die dort vorherrschenden Werte per se für schützenswert. Dass dies mit Blick auf monokulturelle Organisationen, gelinde gesagt, problematisch ist, sollte deutlich geworden sein.

Bleibt also die Frage: Kann man Organisationskulturen verändern? Und in diesem Zusammenhang geht es, genau genommen, weniger um das "Ob" als um das "Wie". Dass hier z.T. recht naive Vorstellungen bestehen, verdeutlicht der beliebte Witz, in dem der Manager zur Beraterin sagt: "Such a new culture is a wonderful thing. I want one next monday". Gegen solche Extrempositionen bzw. -erwartungen richtet sich der Einwand, dass neue Kulturen nicht einfach von Beratungsfirmen oder vom Top-Management entworfen und dann implementiert werden können (vgl. z.B. Schreyögg 1991, S. 211). Dies gilt auch und insbesondere, weil es sich bei Organisationen um interessenpluralistische Gebilde handelt, in denen AkteurInnen, individuell und in Gruppen, unterschiedliche Interessen verfolgen und deshalb Gestaltungen immer auch Ergebnis von Aushandlungsprozessen sind. Das ist auch der Hintergrund, vor dem ich oben geschrieben habe, Cox' Leitbild der multikulturellen Organisation solle nicht als Dogma, sondern als Diskussions- und Verhandlungsgrundlage begriffen werden.

In den Klassikern zu DiM wird der Schwierigkeit des Unterfangens, eine Organisationskultur zu verändern, durchaus Rechnung getragen. Thomas (1991, S. 12ff) beispielsweise verwendet das Modell der Kultur-Ebenen von Schein (1985), um zu zeigen, dass ein Kulturwandel nicht nur die sichtbare Ebene, z.B. dokumentierte Leitbilder oder Strategien, sondern auch und insbesondere die unsichtbare Ebene, d.h. die Grundüberzeugungen der Organisationsmitglieder, tangiert. Deshalb handele es sich bei DiM um einen fundamentalen Veränderungsprozess, der ebenso komplex wie facettenreich sei - und deshalb viel Zeit brauche.

Für solch einen Veränderungsprozess ist die Unterstützung durch das Top-Management ein erfolgskritischer Faktor (dazu mehr unter 3.2). Ein reiner Top-down-Ansatz wäre aber wiederum mit dem Problem konfrontiert, dass kultureller Wandel nicht "verordnet" werden kann, und dürfte deshalb erhebliche Widerstände hervorrufen (vgl. dazu auch Jüngling/Rastetter in diesem Band). Hinzu kommt, dass in deutschen Organisationen das Arbeitsrecht in vielen Angelegenheiten eine Mitbestimmung der Interessenvertretung der Beschäftigten vorsieht. Die zitierten diversity-relevanten Bestimmungen des BetrVG legen insofern ein Diversity Co-Management nahe (vgl. dazu auch Krell 1999).

Generell wird davon ausgegangen, dass ein Kulturwandel eine umfassende Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit sowie die Partizipation der Organisationsmitglieder voraussetzt (vgl. z.B. Schreyögg 1991, S. 211). Dem entspricht auch die in der Literatur zu DiM propagierte Vorgehensweise. Allerdings wird dort - und in der Praxis - nicht nur auf Überzeugungsarbeit gesetzt, sondern auch auf Anreize.

 

3.2 Maßnahmen und Schritte im Überblick

Welche Maßnahmen sind zentral für DiM? Dazu befragte ExpertInnen aus Wissenschaft und Praxis nannten die folgenden 13 (vgl. Süß/Kleiner 2006, S. 60):

Diese Liste vermittelt zwar einen Eindruck von der Breite des Spektrums an Maßnahmen, kann - und will - aber keine Orientierungshilfe dafür geben, welche Schritte in welcher Reihenfolge vorgenommen werden sollten. Eine solche bietet z.B. das Regelkreis-Modell, das Cox (2001) in seinem Buch "Creating the Multicultural Organization" vorstellt (vgl. Abbildung 1).

Abb. 1

Abb. 1: Ein Modell für den kulturellen Wandel (nach Cox 2001, S. 19)

 

"Leadership" bezieht sich zunächst darauf, DiM in der Strategie und im Leitbild bzw. den Grundsätzen einer Organisation zu verankern - und dies auch umfassend zu kommunizieren. Eine 1999 von der Amerikanischen Gesellschaft für Human Resource Management (SHRM) bei HR-ManagerInnen der 500 größten amerikanischen Unternehmen durchgeführte Befragung hat ergeben, dass vor allem das - oft in Unternehmensgrundsätzen dokumentierte - Bekenntnis der Unternehmensleitung entscheidend für den Erfolg eines Diversity-Programms ist (vgl. Pless 2000, S. 53 vgl. auch Roberson 2003, S. 242). In diesem Zusammenhang wird auch auf die Rolle von Führungskräften, die kompetent und motiviert in Sachen DiM sind, als vorbildliche Modelle verwiesen (z.B. von Cox 2001, S. 41 und Sackmann/Bissels/Bissels 2002, S. 55). Und schließlich gehört dazu die Schaffung der Funktion einer/eines für DiM Verantwortlichen, eines Arbeitskreises o.Ä. (vgl. Cox 2001, S. 45ff).

"Research & Measurement" bezieht sich auf die Gewinnung von Daten, die für den Veränderungsprozess bedeutsam sind. Das betrifft z.B. statistische Daten über die (Veränderung der) Zusammensetzung der Gruppen der KundInnen, der ArbeitnehmerInnen und anderer Bezugsgruppen einer Organisation. Mit Blick auf die Beschäftigten geht es dabei nicht nur um deren Zusammensetzung hinsichtlich bestimmter Merkmale, sondern auch und insbesondere um die Messung des Ausmaßes der strukturellen Integration (vgl. dazu auch Vedder 2003, S. 14f; Krell 2003b, S. 225ff). Zur Ermittlung des Bedarfs an DiM im Rahmen eines "Diversity Audits" (vgl. z.B. Gardenswartz/Rowe 1993, S. 263) können schließlich auch Daten über Fehlzeiten und Fluktuation bestimmter Personengruppen dienen. Und schließlich können Mitarbeiterbefragungen eingesetzt werden, um zu eruieren, wo die Beschäftigten selbst Handlungsbedarf sehen (vgl. z.B. Gowing/Lancaster 1996, S. 362f). All das stellt nicht nur eine wichtige Informationsgrundlage für das (Top-)Management dar. Darüber hinaus kann durch die Erhebung und Rückkopplung der Daten bei den MitarbeiterInnen Commitment erzeugt werden (vgl. Cox 2001, S. 61).

"Education" bezieht sich auf die bereits angesprochene Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit. Dazu werden vor allem Diversity-Trainings eingesetzt (vgl. dazu den Grundlagenbeitrag von Gieselmann/Krell sowie das Praxisbeispiel Deutsche Bank in diesem Band). Darüber hinaus sind hier aber auch andere Instrumente zu nennen, wie z.B. Coaching (vgl. z.B. Cox 2001, S. 21) oder Mentoring (vgl. Wolf in diesem Band).

"Alignment of Management Systems" bezieht sich bei Cox (2001, S. 21) auf alle organisationalen Politiken, Praktiken, Regeln oder Prozeduren. Ich beschränke mich hier auf die Personalpolitik. Diese ist systematisch dahingehend zu überprüfen, inwieweit sie der Entwicklung hin zu einer multikulturellen Organisation entgegensteht bzw. inwieweit sie pro-aktiv dazu beitragen kann. Das heißt: Alle personalpolitischen Instrumente, Kriterien, Verfahren und Praktiken werden zum einen auf ihr Diskriminierungspotenzial und zum andern auf ihr Gleichstellungspotenzial untersucht und entsprechend den Ergebnissen angepasst.

"Follow-Up" überlappt laut Cox (2001, S. 22, 127ff) mit allen anderen Komponenten, insbesondere mit "Research & Measurement". Denn es geht darum, nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, und das setzt wiederum einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess voraus. Dem dient z.B. die Berücksichtigung diversity-relevanter Merkmale in der Balanced Scorecard (vgl. z.B. Aretz/Hansen 2002, S. 80ff und das Praxisbeispiel Motorola in diesem Band). Cox (2001, S. 135ff) thematisiert in diesem Zusammenhang auch Anreize, und zwar nicht nur materielle (s.o.), sondern auch immaterielle z.B. in Form von Anerkennung durch Auszeichnungen (vgl. dazu z.B. das Praxisbeispiel Telekom in diesem Band).

Abschließend möchte ich festhalten, dass diese Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Vielmehr soll sie Anregungen und Impulse geben. Einzelne Maßnahmen wie z.B. Trainings allein dürften allerdings nicht zum gewünschten Erfolg führen. Denn ein erfolgreiches DiM erfordert, wie auch Sackmann, Bissels und Bissels (2002, S. 48) betonen, eine Kombination von Maßnahmen, die sich auf die Organisation insgesamt, auf die Team- bzw. Gruppenebene und auf die individuelle Ebene beziehen.

 

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Der Beitrag ist eine gekürzte Version aus:
Krell, Gertraude (Hg.) (2008): Chancengleichheit durch Personalpolitik, 5. Auflage, Wiesbaden: Gabler, S. 63-80

Wir danken dem Gabler-Verlag für die freundliche Ermöglichung der Online-Publikation des Beitrags.

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