Rückblick: Jahrestagung 11. & 12. September 2024 in Göttingen – Diversity und Diskriminierungsschutz weiterdenken

Einblicke zur Netzwerktagung der Diversitätsforschung: Workshops der Internationalen Gesellschaft für Diversity Management (idm)

Das Institut für Diversitätsforschung veranstaltete vom 10. bis 12. September 2024 in Göttingen die Netzwerktagung der Diversitätsforschenden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter dem Thema „Diversität(sstrategien) und Antidiskriminierung(spolitiken)“ wurde ein lebendiger Raum für den Austausch zwischen Forschung und Praxis geschaffen. Am Vortag fand die Mitgliederversammlung von idm statt, die Gelegenheit gab, Mitglieder besser kennenzulernen und neue Verbindungen zu knüpfen. Am 11. und 12. September hielten Nathalie Schlenzka von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und Linda Supik von der Humboldt-Universität zu Berlin informative Keynote-Vorträge. Darüber hinaus bot das Programm ein vielfältiges Angebot an Panels und Workshops. Die Tagung wurde unterstützt durch eine Förderung des Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur.

Die Internationale Gesellschaft für Diversity Management (idm) schuf als Praxispartner der Universität Göttingen mit ihren Mitgliedern eine Plattform, die Einblicke in die Praxis zu verschiedenen Fragestellungen aus den Bereichen Umsetzung, Beratung und Networking ermöglichte. Neue Perspektiven auf eigene Diversity-Initiativen entwickeln und konkrete Lösungsansätze erkunden – die Teilnehmenden erfuhren von effektiven Strategien für die Umsetzung von Diversity Management sowie von den Verbindungen zwischen Theorie und Praxis.


Aus den Workshops des Praxis-Streams von idm:

Workshop 1: Vielfalt in Zahlen? Empirische Umfragen im Bereich Diversity

mit Kathrin Mahler Walther, Geschäftsführende Vorsitzende, und Anna Sive, Senior Expert, EAF Berlin. Diversity in Leadership

Die EAF Berlin, als langjähriges idm-Mitglied, brachte ihre umfangreiche Expertise in der empirischen Forschung und Prozessbegleitung in der Praxis zu Diversity-Themen in diesen Workshop ein. Anna und Kathrin thematisierten die Herausforderungen von vielfaltssensibel umgesetzten Befragungen in Organisationen.

Mit den Workshop-Teilnehmenden wurde diskutiert, wie sie valide Daten im Rahmen von Diversity-Initiativen erheben können, z.B. im Rahmen einer Bestandsaufnahme oder auch als Evaluation von bereits umgesetzten Maßnahmen. Die Workshopleiterinnen vermittelten den Mehrwert von Pretests, um Verständlichkeit und Vollständigkeit der Fragen sicherzustellen und berichteten von ihren Erfahrungen mit der Nutzung offener Fragen für die individuelle Rückmeldung von Befragten zum Thema. Es wurden Befragungsmethoden und unterschiedliche Fragentypen vorgestellt und Wissen über mögliche zu erfragende Themen vermittelt, wie z.B. die vorhandene Vielfalt in der Belegschaft oder Diskriminierungserfahrungen in der Organisation. Der Austausch im Workshop beinhaltete außerdem Fragen danach von welchem Wissensstand bei den Befragten ausgegangen werden kann und warum in diesem Zusammenhang Infoboxen hilfreich sein können sowie die nach der Rolle einer guten Stichprobe, um mögliche Bias zu minimieren. Nicht zuletzt gaben die Referentinnen auch Hinweise zum Thema Datenschutz und Anonymität und stellten abschließend zentrale Erfolgsfaktoren für nachhaltig umgesetzte Befragungen vor.

Insgesamt bot der Workshop praxisnahe Ansätze rund um Befragungen im Kontext von Diversity-Initiativen, die die Teilnehmenden in ihren eigenen Projekten umsetzen können.

Workshop 2: Kunst und Handwerk der hierarchieübergreifenden Vernetzung in diskriminierungskritischen OE-Prozessen

mit Marta Gębala, Geschäftsführung, BQN – Zentrum für Diversitätskompetenz

Marta entfaltete den vielversprechenden Titel in einem interaktiven Workshop. Die Teilnehmenden, die Hälfte idm-Mitglieder, teilten ihre Erfahrungen in Netzwerken und reflektierten über die Herausforderungen in ihren eigenen Organisationen. „Kunst“ verweist auf die kreative und oft intuitiv gestaltete Dimension der Vernetzung. Hierbei geht es darum, Beziehungen aufzubauen, die über formale Strukturen hinausgehen und ein tiefes Verständnis für die Dynamiken innerhalb von Organisationen fördern. Das „Handwerk“ hingegen betont die methodische und strukturierte Herangehensweise, die notwendig ist, um diese Vernetzung effektiv zu gestalten. Entlang der „4P“, Prozesse, Policies, Praktiken und Persönliche Haltung, nach dem Modell von Eva Voß und Sonja Würtemberger, wurden Beratungsanlässe und -erfahrungen geteilt.  Gemeinsam analysierten wir Beratungsprozesse aus Berliner Verwaltungen und Hochschulen. Anhand konkreter Fallstudien wurde die Knappheit der Ressourcen als häufige Hürde für den Erfolg von Diversity-Projekten identifiziert. Ein weiteres Beispiel verdeutlichte, wie trotz hohem Kompetenzniveau in einem Projekt oft nicht die relevanten Themen adressiert werden, was die Zielverwirklichung gefährdet. Marta präsentierte ihren Ansatz der „machtkritischen Moderation“. Diese Methode ermöglicht es Gruppen, ihre Zusammenarbeit selbst zu regulieren und eine respektvolle, produktive Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Abschließend wurden die Anforderungen an einen „brave(r) space“ in der Organisationsentwicklung besprochen, um offene und sichere Diskussionen zu ermöglichen.

Workshop 3: Diversity Lab – Mit innovativen Ansätzen zu mehr Vielfalt und Inklusion in Teams

mit Darius Küller, Mitgründer Diversity Lab, Vorstand VielRespektStiftung, Prozessoptimierer und Stratege.

Im Workshop stellte Darius Aktivitäten und Kampagnen des Diversity Labs vor und zeigte wie aktivistische Projekte und unternehmerische Ansätze sich gegenseitig stärken können. Das Diversity Lab, institutionelles Mitglied von idm, dient mit einer Vielzahl von Veranstaltungen als Schulungs- und Begegnungszentrum für Aktivist*innen und Fachleute und unterstützt Organisationen dabei, diskriminierungssensibel und wirtschaftlich erfolgreich zu agieren.

Ein zentrales Thema war, wie soziale Reparaturmaßnahmen zu strukturellen Veränderungen führen können und welche Rolle Empowerment in diesem Prozess spielt. Ein wichtiger Diskussionspunkt war der Umgang mit Widerständen gegen Diversitätsinitiativen. Darius betonte, dass solche Widerstände oft aus politischen Haltungen resultieren und nicht einfach durch Erklärungen oder alternative Begriffe überwunden werden können. Der Workshop ermöglichte einen offenen Austausch über persönliche Erfahrungen und Perspektiven, wodurch die Teilnehmenden ihre eigenen Strategien zur Förderung von Zusammenhalt und Inklusion in Teams überdenken konnten.

Workshop 4: Netzwerken im Bereich Diversity Management! – Vom Gelingen und Scheitern von Netzwerken an der Schnittstelle von Forschung & Praxis

mit Diana Woltersdorf und Christian Raschke, Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Diversity Management

Unser 20-jähriges Jubiläum haben wir zum Anlass genommen, Fragen des Gelingens und Scheitern von fachlichen Netzwerken diskutiert und überlegt, welche Form von Netzwerken wir für die fachliche, aber auch politische Weiterentwicklung von Diversity Management benötigen. Christian und Diana führten die Teilnehmenden durch die Herausforderungen und Chancen der Netzwerkbildung. Gemeinsam reflektierten wir über bestehende Netzwerke und diskutierten, wie wir diese effektiv nutzen können, um Synergien zwischen Forschung und Praxis zu unterstützen. Ein zentrales Thema war das Spannungsfeld zwischen Vielfalt und Einheit sowie zwischen Flexibilität und Spezifität, inspiriert von Jörg Sydow.

Die Internationale Gesellschaft für Diversity Management versteht sich nicht nur als Fachverband, sondern auch als Netzwerk von Expert*innen, das sich der Qualität und Weiterentwicklung von Beratung und Training im Bereich Diversität widmet. Anhand der Erfahrungen der idm und der Teilnehmenden reflektierten wir die aktuellen Netzwerkerfahrungen der Tagung und überlegten, welche Formen von Netzwerken für die fachliche und politische Weiterentwicklung des Diversity Managements erforderlich sind. Dabei widmeten wir uns herausfordernden Fragen, z.B.:

  • Ist eine Vernetzung an der Schnittstelle von Forschung und Praxis im Bereich Diversity nicht zu allgemein; wäre es nicht zielführender, die Vernetzung spezifischer zu gestalten?
  • Wie weit trägt eine Vernetzung über einzelne spezifische Merkmalsdimensionen hinaus? Das war bisher Anspruch von idm und wir diskutierten in diesem Zusammenhang:  Wie können wir uns unterstützen trotz und wegen unserer Unterschiedlichkeiten? 

Hierzu könnte idm stärker als bisher, einen gut strukturierten, vertrauensvollen Rahmen bieten – zu einem brave( r ) space werden. Dank der wertvollen Gelegenheit in Kontakt zu treten und bestehende Netzwerke kennenzulernen wurden erste Ideen und Vereinbarungen zur Verwirklichung neuer Projekte angestoßen.

Abschlussdiskussion

mit Andrea Bührmann, Christian Raschke und Diana Woltersdorf, moderiert von Elena Futter-Buck, wissenschaftliche Koordinatorin am Institut für Diversitätsforschung der Universität Göttingen

In der Abschlussrunde betonte Andrea Bührmann, dass Theorie und Praxis im Diversity Management untrennbar miteinander verbunden sind. Dieser integrative Ansatz, der auch der Ursprungsidee von idm entspricht, bleibt ein zentrales Thema in unserer Arbeit. Zudem teilten Christian und Diana die Eindrücke aus den Workshops und berichteten zu den Diskussionen rund um die die Spannungsfelder von Netzwerken auch zwischen Forschung und Praxis: Vielfalt und Einheit sowie Flexibilität und Spezifität sind entscheidende Elemente, die es zu navigieren gilt. Christian plädierte vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation für eine stärkere Politisierung der Diskussionen rund um Diversity.

Feedback und Diskussion mit den Teilnehmenden rundeten die gelungene Tagung ab.

 Danke!

Ein herzlicher Dank gilt Andrea Bührmann und dem Organisationsteam des Instituts für Diversitätsforschung der Universität Göttingen. Wir danken ebenso unseren idm-Mitgliedern vom Diversity Lab, BQN und EAF sowie den Veranstalterinnen des Instituts für Diversitätsforschung. Ein großes Dankeschön an alle Teilnehmenden und Interessierten, die diese Tagung zu einem motivierenden Erlebnis gemacht haben. Die Tagung hat einen lebendigen Austausch und inspirierende Diskussionen angestoßen, die neue Verbindungen im Bereich Diversity Management geschaffen haben. Wir freuen uns auf die Fortsetzung des Dialogs zwischen Forschung und Praxis und gehen die Herausforderungen, die vor uns liegen, gemeinsam an.

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